Unser Lobberle oder der Entenköpfer

Für Eisenbahnfans etwas ganz Besonderes so eine alte Dampflok.

S'Lobberle oder der Entenköpfer

 

Der 1. Mai 1909 war für Rastatt, aber auch für die Orte Iffezheim, Hügelsheim, Söllingen, Stollhofen und Schwarzach ein Freudentag. Geladene Gäste versammelten sich um 9.00 Uhr im festlich geschmückten Rathaussaal in Rastatt. Was war der Grund zur Feier? Nun, an diesem Tag wurde die Lokalbahn Rastatt Schwarzach eingeweiht. Bürgermeister Bräunig wies in seiner Rede darauf hin, dass die ersten Versuche zum Bau dieser Bahn bis in das Jahr 1874 zurückreichten. Zahlreiche Eingaben und Petitionen an die Regierung waren lange erfolglos geblieben. Man scheute die hohen Kosten und befürchtete eine Konkurrenz zur Staatsbahn. Am 1. August 1906 gab der Landtag dann seine Zustimmung zum Bau der Lokalbahn Rastatt-Schwarzach. 1.134 000 Mark kostete das Unternehmen. Rastatt beteiligte sich mit 56 000 Mark und zahlte auch den Umbau der Badener Brücke mit 25.000 Mark. Den Rest trugen der Staat und die Landgemeinden. Auch der Grunderwerb in Höhe von 170.000 Mark musste von den an der Bahn liegenden Gemeinden getragen werden.

 

So berichtet das Rastatter Tagblatt am 3. Mai 1909 über die Eröffnung der Lokalbahn Rastatt-Schwarzach: Nach zahlreichen Lobesreden an die Regierung und an Großherzog Friedrich, der sich in Badenweiler aufhielt, ging es mit der Musikkapelle in Richtung Bahnhof Rastatt. Dort stand der festlich geschmückte Extrazug und wartete auf seine Fahrgäste. In ruhigem Tempo ging es dann durch die Stadt. Zahlreiche Menschen wohnten dem Schauspiel bei und es wurde aus weiblicher Hand so mancher Blumengruß an die Fahrgäste gereicht. Die Fenster der Mädchenschule waren dicht besetzt und lauter Jubel scholl herüber.

 

Außerhalb der Stadt wurde die Fahrt dann flotter. In Iffezheim gab es den ersten Halt. Die Schuljugend hatte wegen des festlichen Anlasses eine Wurst und Brot bekommen und stand jetzt jubelnd am Bahnhof. Die Fahrt ging weiter in das durch seine guten Wirtschaften und prima Spargeln bekannte Hügelsheim. Nun aber gings ab ins Gefilde, von denen mancher Rastatter mit Augenniederschlag gestand, daß er noch nie in der Gegend war. In Stollhofen wurde es besonders feierlich. Der Kriegerverein, darunter viele ordensgeschmückte Veteranen, waren angetreten. Bürgermeister Lorenz begrüßte die Gäste während im Hintergrund Böllerschüsse zu vernehmen waren. Nun gings weiter nach Schwarzach, wo man gegen 11.00 Uhr eintraf. In lobenswerter Weise hatte die Straßburger  Eisen-

bahngesellschaft für die Ehrengäste ein Buffet für die nötige Stärkung aufbauen lassen. Bedient wurden die Herrschaften von jungen Mädchen in Landestracht. Trompetensignale kündigten die Rückfahrt an.

 

Ein letzter Gruß und unter dem Lied „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus“ setzte sich der Zug in Bewegung. Nochmals passierte man die ganze Strecke, überall an den kleinen freundlichen Bahnhöfchen kurz Rast machend. Um 14.00 Uhr kam die Gesellschaft dann am Marktplatz in Rastatt an. Dort begab man sich in das Hotel Kreuz. Es folgten Dankesreden von zahlreichen Personen. Auch Prälat Lender sprach in wohlwollender Weise über Rastatt und seine Bürgerschaft. Die Musik zu der Feier kam vom Artillerie-Regiment. Der für halb 6 bestellte Extrazug für die anwesenden Vertreter der umliegenden Ortschaften konnte natürlich zu der Zeit noch nicht fahren. Vor freudiger Begeisterung und  überschäumender Stimmung gab es einfach keinen Abschied. Der bestellte Extrazug konnte erst in später Abendstimmung seines nicht mehr ganz leichten Amtes walten!

 

Viele erinnern sich noch heute an das Bähnel, das man liebevoll Lobberle oder auch Entenköpfer genannt hatte. Entenköpfer, weil so manches freilaufende Federvieh sein Opfer wurde. Lobberle, weil die Wagen badisch ausgedrückt „gelobbert“( geschaukelt) haben. Die Vorteile dieser Bahn lagen für damalige Verhältnisse klar auf der Hand. Die Straßen waren oft noch von so schlechter Beschaffenheit, dass so mancher Kutscher mit einem Achsenbruch am Straßenrand liegen blieb. Die Eisenbahn hingegen gleitete – zwar nicht lautlos – aber einfach so über die Schienen hinweg. Den Fuhrwerken mit Rössern oder Kühen war dieses schnaufende und pfeifende Ungetüm nicht ganz geheuer. Angesichts dieser Geräusche gerieten die Tiere in helle Aufregung und preschten oft samt dem schimpfenden Fuhrmann davon.

 

Für die Menschen bedeutete das Bähnle eine große Erleichterung. Alles was früher im Handkarren oder mit dem Fuhrwerk transportiert wurde übernahm das Bähnle. Körbe voll mit Obst, Gemüse, Schnaps, Vieh in speziellen Waggons, Holz, Kunstdünger und vieles andere mehr. Wollte man zum Markt nach Rastatt, so stieg man an der Haltestelle beim ehemaligen Gasthaus Sonne aus und war mit wenigen Schritten mitten im Marktgeschehen. Auch die Jugend freute sich. Wenn man in Rastatt auf die höhere Schule ging, musste man nicht mehr mit dem Fahrrad nach Rastatt strampeln, sondern konnte sich im Lobberle gemütlich und noch etwas schläfrig zurücklehnen. Ganz eifrige Gesellen bereiteten sich noch schnell auf die Schule vor, oder es wurden mit mehr oder weniger schlechtem Gewissen restliche Hausaufgaben erledigt.

 

1923 wurde die Mittelbadische Eisenbahngesellschaft (MEG) gegründet und war somit Nachfolgerin der Straßburger Straßenbahngesellschaft. Erste Wunden wurden der Lokalbahn bereits im Jahr 1937 zugefügt. Die am Bahnhof Rastatt beginnende Fahrspur wurde beseitigt. Das Bähnle fuhr nun nicht mehr über die Merkurstraße, durch die Pagodenburganlage und zur Kapellenstraße. Die nördlichste Haltestelle war nach der Badener Brücke beim ehemaligen Gasthaus Bären bis der neue Bahnhof beim Rastatter Gaswerk gebaut war. Der Entenköpfer war aus der Innenstadt verschwunden.

 

Adieu Lobberle

Die Zeit war nicht stillgestanden. Ein Krieg war vorbei der viel Elend über die Menschen gebracht hatte. Die Hungerjahre nach diesem Krieg waren zwar noch nicht vergessen, aber es ging aufwärts. Das Leben änderte sich. Die Landwirtschaft war längst zur Feierabendbeschäftigung geworden. Man(n) ging jetzt in die Fabrik und verdiente gutes Geld. Immer öfter führte der Weg der Menschen in die Autohäuser. Ein Auto für die ganze Familie war gefragt. 1970 war jeder 4. Bundesbürger bereits stolzer Besitzer eines Wagens. Das Bähnle wurde für den Personentransport immer unrentabler und es war dem Ausbau der Straßen im Weg.

 

Am 7. April 1970 wurde die Strecke Schwarzach – Rastatt auf Omnibusverkehr umgestellt. Mit dem Fahrplanwechsel am 27. September 1970 wurde auch die letzte Teilstrecke zwischen Bühl, Schwarzach und Freistett mit Omnibussen abgewickelt. Dafür hatte man drei Busse und einen Gelenkbus angeschafft. Ein Bus hatte 48 Sitz- und 50 Stehplätze. Die Fahrt von Bühl nach Freistett kostete 1 Mark. Die Busfahrer waren zu bedauern. Zahlreiche Engstellen und Kurven galt es auf der Strecke zu überwinden. Die Straßen waren noch lange nicht so gut ausgebaut wie heute.

 

Und das Lobberle? Zurück blieben die kleinen Bahnhöfchen mit der Dorfbezeichnung und dem in französischer Sprache aufgemalten Hinweis Sortie (Ausgang). Die Abschiedsvorstellung gab das Lobberle mit der Lok Nr. 161 am 30. September 1970 mit einer Sonderfahrt von Schwarzach zur Huckepack-Station in der Geggenau. Eisenbahnfans aus ganz Europa waren angereist um dieses Erlebnis mit Tonband und Kamera festzuhalten. Schade war, dass die Fahrt in den zwei Kilometer entfernten eigentlichen Bahnhof nicht mehr möglich war. Die Eisenbahnfans mussten sich mit dem Schnappschuss des letzten Rangierens draußen in der Geggenau zufriedengeben. Die Lok Nr. 161 wurde in die Schweiz an EUROPAVOR verkauft. Sie wurde auf der Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn eingesetzt und schnaufte hier als Touristenattraktion weiter.

 

Das Raschdadder Lobberle verabschiedete sich mit einer gewaltigen Rauch-fahne. Was für Generationen selbstverständlich war, war jetzt vorbei. Die vertrauten Pfiffe und die Rauchwolken entlang der Strecke. Bei vielen Menschen war da schon etwas Wehmut aufgekommen.

 

Auf der Schmalspurbahn wurden weiterhin Frachtgüter hauptsächlich für die Rheindörfer transportiert. Dafür hatte man in der Geggenau eine Huckepack-Umladestelle eingerichtet. Hier wurden jeden Monat etwa 150 Waggons, die auf der Wintersdorfer Strecke anfuhren auf die Schmalspurbahn umgesetzt. Heute wäre das absolut unmöglich, aber damals wurde Düsenjägersprit für den kanadischen Nato-Flugplatz durch die Dörfer transportiert. Die Trasse war für solche Lasten einfach nicht geeignet. Ein Rollwagen sprang bei Iffezheim aus den Gleisen und Bewohner deren Häuser an der Strecke lagen mussten wegen der Explosionsgefahr evakuiert werden. Das geschah am 5. Mai 1970. Am 20. Juli 1971 kippten bei Söllingen zwei Kesselwagen um mit Treibstoff für den Flughafen. Die Menschen hatten Angst und das zu Recht. Der Abbau der Gleise begann in kleinen Schritten. zwischen den Jahren 1971 und 1973. Was blieb, waren ver-

einzelte Schienenreste, ein kleines Netz von 15 Kilometern für den NATO-

Flughafen Söllingen und das Anschlussgleis für die Firma Dow Chemical GmbH in Greffern.

 

In einigen Herzen wird das Lobberle unvergessen bleiben. Eigentlich schade, dass daraus – mit etwas Streckenverlegung weg von der Straße – keine Museumseisenbahn werden konnte. Das Lobberle wäre heute der Anzie-hungspunkt für Touristen und Eisenbahnfans.

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