Durmersheim: Einbaumfunde am Federbach

Teile eines Einbaums, zu besichtigen im Riedmuseum in Ottersdorf.

Durmersheim: Die Einbaum-Funde am Federbach

 

Die Menschheit war in der Mittelsteinzeit angekommen und die nacheiszeitliche Wiederbewaldung der Landschaft um 9600 v. Chr. veränderte das Leben ganz entscheidend. Man führte nicht mehr das unstete Leben eines Jägers und Sammlers und zog den Tieren hinterher, sondern begann sesshaft zu werden. Die einfachen Hütten waren aus Lehm und die Dächer mit Binsen und Süß-

gräsern gedeckt. Der Mensch ernährte sich von Rüben, wilden Möhren, Sellerie und immer wieder gab es Getreidebrei und Fladenbrot. Aus wilden Äpfeln, Hagebutten, Holunderbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Walderdbeeren bestand die Obstauswahl. Eine Bereicherung des steinzeitlichen Speiseplanes waren gebratenes Fleisch und übr dem Feuer gegrillter Fisch.

 

Auf die Jagd nach Hirsch, Reh, Wildschwein, Biber, Braunbär, Hase und Wildpferd ging man mit Pfeil und Bogen. Aber wie sah der Fischfang aus? Für die Weichseleiszeit und die Würmeiszeit nimmt man an, dass noch mit Angel und Netzen gefischt wurde. Auch der Fischspeer wurde eingesetzt. Es gab keine großen Baumstämme und somit noch keine Einbäume. Wie archäologische Funde belegen, beherrschten Menschen dann im Mesolithikum (vor 8000 bis 4000 v. Chr.) die Kunst, einen Baum auszuhöhlen und ihn zum Transportmittel zu machen. Wer den ersten Einbaum erfunden hat, wissen wir nicht. Aber, zu jeder Erfindung gehören eine Situation und eine blitzschnelle Eingebung. Es könnte so gewesen sein: Ein Fischer saß wohl am Flussufer und zog ein Netz durch das Wasser in der Hoffnung, dass sich ein Fisch darin verfängt. Viel lieber wäre er natürlich auf dem Fluss unterwegs, um an die großen Fischschwärme zu kommen. Aber wie? Da sah er wie in der Flussmitte auf den Wellen auf- und niedertänzelnd ein großer Baumstamm angeschwommen kam. Der schwere Holzstamm ging nicht unter, sondern wurde vom Wasser getragen. Beim Anblick dieses Holzstammes auf dem Wasser entstand die Idee, einen Stamm so auszuhöhlen, dass ein Mensch darin Platz fand. Mit einem Stecken konnte man sich vom Land abstoßen und mit einem Paddel ließ sich das Gefährt sogar lenken. Die Idee wurde umgesetzt und die Urform des Bootes – der Einbaum - war erfunden.

 

Mitte März des Jahres 1932 ging eine sensationelle Meldung durch die Zeitungen. Eigentlich wollte man in Durmersheim nur die Sohle des Federbaches tiefer legen. Zuerst stieß der Bagger auf Rheinkies und dann auf ein Stück Holz, das quer und schief abwärts im östlichen Ufer steckte. Bei näherer Betrachtung stellte man fest, dass es sich um bearbeitetes Holz handelte. Es war ein Einbaum. Die vordere Spitze ragte gerade noch aus dem Wasser heraus, während das hintere Ende in der Bachsohle steckte. Die Fundstelle lag unterhalb der Bickesheimer Wallfahrtskirche, etwa 400 Meter abseits der Straße nach Würmersheim. Die Kirche selbst steht auf dem alten Rheinhochgestade. Hier fällt das Gelände leicht ab und in etwa 15 Metern Entfernung fließt der Federbach parallel zur Straße. Kurze Zeit nach dem ersten Fund stieß man bei Reinigungsarbeiten des Bachbettes auf einen zweiten Einbaum. Dieser lag etwa 40 Meter vom ersten entfernt. Übereilte Bergungsversuche wurden unterlassen. Man wartete auf bessere Witterungsbedingungen und wollte dann auch das Wasser des Federbaches umleiten.

 

Mit der Untersuchung des Geländes und der Bergung der Einbäume wurde am 1. Juli 1932 begonnen. Leider war der Wasserspiegel noch so hoch, dass fast ständig unter Wasser gearbeitet werden musste. Zunächst wollte man den zuletzt gefundenen Einbaum bergen. Sondierungen hatten hier ergeben, dass er noch in einem Stück erhalten war, aber schräg abwärts unter dem Wasserspiegel steckte. Die Arbeiter standen stundenlang bis zur Brust im Wasser und froren trotz der sengenden Julihitze. Mit der Schaufel wurden Kies-, Schlamm- und Schlickschichten zum Bachufer getragen, um sie dort zu untersuchen. Mit einem Flaschenzug versuchte man den Kahn zu heben. Doch dieser rührte sich nur wenige Millimeter. Der Kahn saß noch zu fest im Grund. Weitere Stunden vergingen und dann endlich schwamm der Einbaum in der Mitte des Bachbettes. Ein Bauer, der mit seinem Pferdegespann vorbei fuhr, half den Einbaum zur flachsten Uferstelle bei der Brücke zu ziehen. Trotz der Hilfe von vielen Zuschauern gelang es nicht, den Einbaum aus dem Wasser zu ziehen. Am nächsten Tag rückte der städtische Spritzenwagen an und der Einbaum konnte an Land gezogen werden. Auf einem Anhänger, den die Brauerei Hatz zur Verfügung gestellt hatte, wurde der Fund nach Rastatt auf die Waage vor der Fruchthalle transportiert. Da zeigte sich, dass der Kahn ein Gewicht von 36 Zentnern hatte. Rechnet man die fehlende Bordwand hinzu, käme man leicht auf 40 Zentner. Die Länge des Einbaums betrug 7 Meter, die Breite einen Meter und er war 60 Zentimeter tief ausgehöhlt.

 

Die Bergung des ersten zerbrochenen Einbaums gestaltete sich schwieriger. Das steckengebliebene Ende lag etwa 2 Meter tief im Ufer und war von Gestein- und Schlammmasse bedeckt. Also barg man das vom Bagger herausgerissene Teil von 4 Metern Länge. 1,60 Meter länger war die Bordwand, die auch herausgezogen wurde.

 

Noch während der Vorbereitungen zur Hebung entdeckte man einen dritten Einbaum und kurz darauf einen vierten, der aber in seiner gesamten Länge ganz im Bachgrund lag. Auch die Hebung des dritten Kahns erwies sich am Anfang als sehr schwierig. Er war am Ufer festgerammt und das hintere Ende lag wieder über einen Meter im Bachbett. Aufgrund starker Regengüsse war der Wasser-

spiegel gestiegen und die Arbeiter standen zeitweise bis zum Hals im Wasser. Die Bergung gelang trotz der widrigen Umstände und der Kahn konnte wegen des hohen Wasserspiegels auch im Bachbett gewendet werden. Dieser Einbaum war etwas kürzer als der zweite, zeigte eine bessere Ausarbeitung und war auf eine Breite von 95 Zentimetern ausgehöhlt. Der ursprüngliche Eichenstamm dürfte einen Durchmesser von 1,20 Meter und eine Länge von 7,10 Metern gehabt haben. Die Bordwände waren 7 cm stark.  Am hinteren Teil war der Kahn flacher und breiter. Der Boden war 14 cm stark wurde aber von der Mitte bis zum zugespitzten Bug zunehmend dicker. Am Kahn selbst waren keine Bohrungen festzustellen. Die Reste von Kahn 1 und der vierte Einbaum verblieben aus Kostengründen am Fundort im Bachbett des Federbaches zurück. Die Mittel für das Projekt „Einbaum“ waren aufgebraucht.

 

Das Alter der Kähne wäre jetzt noch interessant. Dass sie alt sein mussten war bei der Bergung schon klar. Die Kähne ragten in den alten Rheinkies hinein. Dem Kies einer alten Rheinschlinge, die hier zwischen Durmersheim und Ötigheim verlief. Die Dendrochronologie, also die „Lehre vom Baumalter“ konnte hier weiterhelfen. Mittels eines Holbohrers wurden an Kahn1, 2 und 3 Bohrkerne entnommen. Gefällt wurde das Eichenholz für Kahn 1 und 3 etwa um 1100 n. Chr. und Kahn 2 um 927 n. Chr.

 

Die Erfindung des Rades gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Menschheit. Mindestens ebenso bedeutsam war auch die Erfindung des Bootes. Mit Paddel, Ruder und Segel wurden Flüsse, Seen und Meere erobert. Mit großen Schiffen wurden neue Kontinente und Handelswege entdeckt. Leider auch Kriege geführt. Zugegeben, so ein Einbaum sieht urtümlich und etwas plump aus. Aber er hat den Siedlern am Federbach das Leben ungemein erleichtert. Er war Transportmittel für Gras, das man von den Flussinseln holte, für Weiden und Gerten. Es war das Boot des einfachen Mannes und er benutzte es für die Jagd und den Fischfang.

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