Michelbach: Ein Dorf lebt mit und im Fachwerk
Michelbach: Fachwerk-Romantik
Von Rotenfels ausgehend erfolgte die Besiedlung murgtalaufwärts. So ist auch Michelbach entstanden und wurde im Jahr 1102 als Michilenbach erstmals erwähnt. . Man berichtet von sieben Höfen, in denen sich Menschen entlang des Michelbachs angesiedelt hatten. Über ihnen auf einer Erhöhung thronte eine befestigte Burg. Wie das Dorf im 11. Jahrhundert ausgesehen hat, werden wir wohl nie erfahren. Man kann nur Vermutungen anstellen und sich dann an die Kenntnisse halten, die über das Leben in dieser Zeit vorliegen.
Für die ersten Siedler in Michelbach war das Fachwerkhaus damals noch undenkbar. Die Bauern machten den mit Abstand größten Teil der Bevölkerung aus und waren somit auch die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Sie lebten in einfachen Hütten, in die kaum Tageslicht hineinfiel. Bei Tageslicht wurde gearbeitet und bei Dunkelheit geschlafen. Ihre Behausung bestand aus einem Gerüst aus Holzbalken. In die Zwischenräume füllte man geflochtene Birkenzweige und dichtete die Wände mit Lehm und Stroh ab. Das Dach wurde mit Schilf gedeckt oder hatte eine Rindenabdeckung. Der Fußboden bestand aus gestampfter Erde die mit Stroh bedeckt wurde. Es gab nur einen Raum zum Arbeiten, Wohnen und Schlafen. Die Einrichtung war kärglich. Sie bestand aus einem Tisch, Bänke, Kisten und Strohsäcke zum Schlafen. Für die Hausfrau war eine Feuerstelle vorhanden.
Mit im Haus wohnte auch das Vieh. Im Haus lebten meist zwei Generationen zusammen mit den ledigen Verwandten, den Knechten und Mägden. Man erreichte damals kein hohes Alter. Eltern oder Großeltern starben sehr früh. Die Erwachsenen wurden im Durchschnitt nur um die 30 Jahre alt. Ein trauriges Kapitel waren Kinder. Die Hälfte starb schon im Kindesalter. Die Frauen wurden oft schnell hintereinander schwanger. Sie kümmerten sich um die Vorräte und halfen teilweise auch noch auf dem Feld. Feldarbeit kannte man bereits im Kindesalter. Die große Sorge galt dem ausreichenden Essen für so zahlreiche Menschen. Der Speiseplan war damals sehr einfach. Aus grob gemahlenem Korn wurden Brei oder Fladenbrote hergestellt. Es gab Rüben, Kohl und Bohnen. An Früchten hatte man Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen. Fleisch gab es sehr selten. So dürften wohl auch die Anfänge des Dorfes Michelbach gewesen sein. Wo Wasser ist, ist Leben und so haben sich die Menschen nach und nach am Bach angesiedelt. Aus Michilenbach wurde Michelbach.
Fachwerkensemble am Michelbach
Wenn man heute nach Michelbach hineinfährt, trifft man beim Lindenplatz auf den historischen Ortskern von Michelbach. Dies sind die katholische Pfarrkirche mit Messnerhaus und die drei historischen Gasthäuser Traube, Kreuz und Engel. Die Weite des Lindenplatzes gibt den Blick frei auf liebevoll und aufwändig restaurierte Fachwerkhäuser die giebelseitig zur Straße stehen. Freundlich winken grüne Holzläden und der Blumenschmuck an den Häusern leuchtet in allen Farben. Man hat bestimmt schon oft Fachwerkhäuser bewundert, aber dieses Ensemble hier am Michelbach ist wirklich einmalig. Den Brunnen am Lindenplatz ziert einen Weinbauern mit dem Rückkorb, der gerade auf dem Weg zu seinen Reben unterwegs ist. Wenn man dem Dorfbach folgt, kommt man an den Platz an dem 1742 die Schmalholz’sche Mühle lag. Als Erinnerung dreht sich hier immer noch ein Mühlrad. Dieser Platz ist wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch. Links und rechts des Michelbachs stehen die im 17. Und 18. Jahrhundert gebauten Fachwerkhäuser. Keine Schnörkel und kein barockes Zierfachwerk wie man sie ansonsten antrifft. Das brauchte man in Michelbach nicht. Man schaute mehr auf die Zweckmäßigkeit und die Unterbringung einer großen Familie. Die einstöckigen Fachwerkhäuser beherbergten wohl die Taglöhner des Ortes. Das anderthalbstöckige Kniestockhaus war früher ein kleinbäuerliches Anwesen.
Zweistöckige Fachwerkhäuser findet man im Ort weniger. Alle zusammen bestehen aus konstruktivem Fachwerk das auf Zierelemente völlig verzichtet. Das Holz wurde damals vor Ort eingeschlagen. Mit einem Gemisch aus Lehm, Spreu und geflochtenen dünnen Ästen wurden die Gefache ausgefüllt. Die meisten Häuser haben einen Sandsteinsockel. Hier konnte man durch eine zweigeteilte gebogene Tür in den Balkenkeller gelangen. Oftmals finden wir über dem Türsturz die Initialen des Erbauers mit der Jahreszahl. Durch diese ovale Tür ließen sich leicht Fässer transportieren. An der Außenwand finden sich Steinschieber die für die Belüftung im Keller sorgten. Im Keller wurden Most, Wein, Kartoffeln, Rüben und Sauerkraut gelagert. Der Wohnbereich war zweckmäßig gestaltet. Die Küche hatte einen aus Sandstein gefertigten Wasserstein, dessen Ausfluss direkt ins Freie führte. Die Küche war schlechthin der Aufenthaltsraum der Familie. Es gab noch eine Stube, in der sich der Herrgottswinkel befand. Dies war der Hauptraum des Hauses. Neben der Stube befand sich oft nur durch einen Vorhang abgetrennt eine Kammer. Im Obergeschoss an der Giebelseite gab es noch eine oder zwei Kammern, einen Abstellraum und manchmal eine Rauchkammer. Licht bekamen die Räume durch ein an der Giebelseite angebrachtes Fenster. Die „Binn“ oder den Speicher nutzte man zum Abstellen von Dingen die nicht so oft gebraucht wurden. Auch wurden hier Korn und Kräuter gelagert.
Viele dieser Häuser hatten eine Scheuer, eine Laubhütte, eine Holzhütte oder einen angebauten Kälblesstall. Der Leiterwagen oder der Mistkarch wurde unter ein freitragendes Vordach vor der Scheuer geschoben. Der Abort war im hinteren Hausbereich zu finden. Es war ein Holzverschlag, in dem über einer Grube ein kistenartiger Sitz angebracht war. In dem Sitz befand sich ein rundes Loch, das mit einem runden Holzdeckel verschlossen wurde. Saustall und Hühnerstall hatten oft einen abgeteilten Verschlag im Kuhstall oder waren in einem abseits stehenden kleinen Gebäude untergebracht. Der Backofen befand sich immer außerhalb des Gebäudes an einem passenden Ort. Für einen Vorgarten am Haus war oft nicht viel Platz vorhanden. Vor dem Haus war die Dorfstraße und so befinden sich die Hausgärten oft hinter dem Haus. Salat und Gemüse für den täglichen Bedarf wurden dort angebaut. Hinter dem eingezäuntem Hausgarten hatten die Hühner ihren Auslauf.
Im Inneren sind diese Häuser heute umgebaut. Sie verfügen über eine moderne Küche mit Geschirrspüler. Das Wasser fließt schon lange nicht mehr in die „Ränn“ und von da aus in den Michelbach. Aus Stube und Alkoven wurde ein großes Wohnzimmer. Auf Annehmlichkeiten wie moderne sanitäre Anlagen, elektrische Leitungen und ein modernes Heizsystem muss man auch nicht verzichten. Ein Fachwerkhaus bewahrt ein Stück regionale Tradition, lässt sich aber bei entsprechendem Ausbau trotzdem vollkommen modern nutzen. Mit dem Verlust eines solchen Hauses verlässt uns ein Teil der Geschichte. Das ist in Michelbach nicht geschehen. Hier lebt Geschichte. Dies bezeugt auch der Eckbalken eines Hauses in der Lindenstraße:
„Dises Haus hab ich gebautt Valentin bin ich gedaufed .Traub bin ich genand“.