Michelbach: Das Hirtenhaus

Gaggenau-Michelbach: Der Sauhirt

 

Michelbach liegt in einem Seitental des Michelbachs am Fuße des Bernsteins. Im Dorf wohnten zu Beginn des 18. Jahrhunderts 33 Familien. Das waren rund 140 Einwohner. Die Menschen waren arm. Man ernährte sich vom Ackerbau, Weinbau und betrieb Viehzucht. Hier spielte die Waldweide für die Einwohner über Jahrhunderte hinweg eine enorme wirtschaftliche Rolle. Wiesenflächen waren nur begrenzt vorhanden. Die Böden waren mager und die Hänge steil. Rinder und Schweine wurden in den nahen Wald getrieben, damit sie sich dort ihr Futter selbst holten. Die umliegenden Eichen- und Buchenwälder boten dem Vieh reichlich Nahrung. Über die Nutzung der Wälder als Viehweide gab es wiederholt Streit mit den umliegenden Dörfern. Aus diesem Grund wurde Michelbach – wie andere Dörfer auch – verpflichtet, einen Schwei-nehirten, auch Sauhirt genannt, und einen Viehhirten anzustellen. Die Tiere sollten im Wald beaufsichtigt werden, weil die Weideflächen genau eingeteilt waren und man keinen Streit mit den Nachbarn wollte.

 

Als Schweinehirt schloss man mit der Gemeinde einen Vertrag, der die Pflichten genau regelte. Hier als Beispiel der Vertrag meines Urgroßvaters, der in Rotenfels von der Gemeinde als Schweinehirt beschäftigt wurde.

Geschehen Rothenfels am 1. März 1905

Vertrag

zwischen der Gemeinde Rothenfels

und

Dem Übernehmer Johann Reiter allda als Schweinshirth

1

Derselbe übernimmt die Hut der Schweinsherd auf unbestimmte Zeit.

2

Derselbe hat mit der Herde auszugehen in den Wintermonaten von Mittags 1 Uhr bis Nachmittag 3 Uhr und in den Sommermonaten von Morgens ½ 7 Uhr bis Nachmittag1/2 4 Uhr.

3

Derselbe erhält von der Gemeinde die sog. Dienstwohnung im Armenhaus in der Allmend. Dieselbe besteht aus einer Stube mit Kammer einer Küche und den auf diesen Räumlichkeiten befindlichen Speicher. Als Holzlagerplatz erhält er den Platz vor seiner Wohnung und zwar nach Angabe der Gemeinde a conto.

4

Als Vergütung hat derselbe von jedem Schweinezüchter per ¼ Jahr 1 M zu beziehen, welchen Betrag er selbst von den Schweinezüchtern vierteljährlich zu erheben hat.

5

Der Schweinshirth hat die Herde vorschriftsmäßig und nicht übermäßig zu treiben. Rohe Behandlung der Säue ist verboten und vorkommendenfalls hat dieses Vergehen die Vertragsauflösung zur Folge.

6

Dieser Vertrag wird doppelt ausgefertigt und wird jedem Theil eine vierteljährliche Kündigung gestattet. Gemäß 5 des Vertrags kann die Auflösung vorkommendenfalls sofort stattfinden.

 

Unterschrieben haben diesen Vertrag der Bürgermeister, der Gemeinderat der Gemeinde Rotenfels und mein Ur-Großvater. So könnte auch Josef Bittmanns Vertrag als letzter Schweinehirt der Gemeinde Michelbach ausgesehen haben. Die Einstellung als Schweinehirt hatte oftmals auch einen sozialen Hintergrund. Mein Ur-Großvater hatte als Eisenschleifer bei den Eisenwerken in Gaggenau eine Hand verloren und konnte dort nicht mehr beschäftigt werden. Als Anstellung zum Schweinehirten war der Gemeinde geholfen und meinem Ur-Großvater auch.

 

Ein Schweinehirt hatte eine wichtige Funktion. Die Tiere waren beaufsichtigt und er führte sie zu den Plätzen an denen es ausreichend Futter gab. Jede Sau hatte für ihren Besitzer einen hohen finanziellen Wert. Glücklich war, wer sich eine Sau leisten konnte. Noch glücklicher waren die, die eine Kuh oder ein Pferd im Stall hatten. Da galt man schon als vermögend. Die Kuh des armen Mannes aber war die Ziege, Geiß genannt. Sie war in der Anschaffung billig und wurde überall satt weil sie viel anspruchsloser war. Trotz des mageren Futters brachten Geißen gute Milcherträge. Außerdem waren sie ein guter Fleischlieferant. Nach einer Tragzeit von fünf Monaten brachte eine Geiß bis zu drei Zicklein auf die Welt. Allerdings hatte bei Geißen die Vegetation kaum eine Chance. Vor allem dem Jungholz blieb keine Überlebens-möglichkeit. Aus diesem Grund war die Geiß das erste Haustier, das aus dem Wald verbannt wurde. 1750 wurde das Beweiden des Waldes durch Ziegen verboten. 1791 ging man noch weiter. Das Oberforstamt in Gernsbach ordnete an, dass Personen, die zwei Kühe hielten, keine Geißen halten durften. Wer kein Großvieh besaß, durfte drei Geißen halten. Grund dafür war, dass man den Wert des Holzes erkannt hatte.

Früh am Morgen zog der Schweinehirt mit dem Zuchteber los. Die einzusammelnden Tiere reagierten auf die Hornsignale und sprangen im Schweinsgalopp auf die Straße. Waren alle Tiere beisammen, ging es über den Lindenplatz in Michelbach am Altschloss vorbei zur Sauweide. Wo das war, lässt sich heute an den Gewannen „Saulager“ und „Sauläger“ genau festmachen. Beim Heimweg scherte so manche Sau von alleine aus und fand auf Anhieb ihren Stall wieder.

 

Das Horn des Schweinehirten ist verstummt. Seit 1934 braucht man keinen Schweinehirten mehr. Die kleinbürgerliche  Landwirtschaft wurde nach und nach eingestellt. Man(n) ging in die Fabrik und brachte jeden Monat sicheres Geld nach Hause. Was blieb, war ein kleiner Garten hinter dem Haus. Viele Hirtenhäuser wurden aufgrund ihres baufälligen Zustandes abgerissen. Nicht jedoch in Michelbach. Hier steht das sanierte Hirtenhaus in der Otto-Hirth-Straße 7 und blickt mit seinen weißen Sprossenfenstern freundlich in die Landschaft. Zusammen mit der Hirtenbrücke bildet es ein Ensemble auf das Michelbach stolz sein kann.

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