Am Wildseemoor

Kurhaus Kaltenbronn um 1908.

Kaltenbronn: Im Jagdrevier des Auerhahns

 

Die Häusergruppe Kaltenbronn verdankt ihre Entstehung der fürstlichen Jagd. Bereits im Jahr 1310 kamen die Grafen von Württemberg hierher uff die Bärenhatz und Wolfshatz. Markgraf Ludwig Wilhelm, Türkenlouis genannt,  besaß vor dem Jahr 1700 ein Jagdhaus auf dem kalten Bronnen. Die Jagdgesellschaft war auf eine Unterkunft angewiesen. Von der Residenz Schloss Rastatt bis zum Kaltenbronn brauchte man Stunden, denn der Weg war äußerst beschwerlich. Die Jagdgesellschaft kam meistens erst am Abend an und richtete sich im Haus ein. Hier am Kaltenbronn dominierte die Auerhahnenjagd.

 

Die klassische Jagdzeit für den Auerhahn fand in dessen Balzzeit im April/Mai statt. Eigentlich ist er sehr scheu, aber in dieser Zeit wird der fasanenartige Hühnervogel etwas unvorsichtig. Der bis zu 5 kg wiegende Hahn stellt die Schwanzfedern zu einem Rad und tappt unruhig hin und her. Er knappt mit dem Schnabel, trillert bis sich die Töne überschlagen und gibt dann ein schleifendes Geräusch von sich. Die Stelle über beiden Augen – die Rose – ist leuchtend rot, der lange Hals ist aufgebläht und er hofft natürlich mit seinem Gehabe ein Auerhuhn beeindrucken zu können. Die Balzzeit des Auerhahns im April/Mai ist auf dem Kaltenbronn keine angenehme Jahreszeit. Der letzte Schnee liegt dann noch und es ist bitterkalt.

 

1736 war das hochfürstliche Auerhahnenhaus ein schmales und mit Schindeln gedecktes Haus. Es besaß vier Zimmer und zwei Säle. Die Küche war in einem separaten Gebäude in der Nähe der Ställe. Die Gebäude waren mit einem Palisadenzaun umgeben, weil sich am Kaltenbronn zweifelhaftes Publikum herumtrieb. Gemeint waren hierbei Deserteure, Wilderer und Schmuggler. Auch der hohe Zaun um das Jagdhaus war kein Hindernis für eine Gruppe von Wilderern. Sie hatten sich über Wochen hinweg im fürstlichen Jagdhaus eingenistet. Um Wilderer und Strolchgesindel zu vertreiben, erlaubte man dem Matheis Heiter im Jahr 1761 im Haus zu wohnen. 1794 brannte das herrschaftliche Jagdhaus ab und wurde 1807 durch einen einfachen Neubau ersetzt. 1869/70 ließ Großherzog Friedrich I. auf der der anderen Straßenseite ein neues Jagdhaus erbauen. Es entstand in Blockbauweise „ganz im Stil eines Schweizerhauses“ und passte wunderbar in diese Gegend. Dieses Haus hat so manchen vornehmen Gast beherbergt. 17 Hähne mussten ihr Leben lassen als Kaiser Wilhelm II im Jahr 1899 hier zur Jagd eingeladen war. Nach seiner Abdankung im Jahr 1918 erhielt der letzte badische Großherzog, Friedrich II. die Wälder des Forstamtes Kaltenbronn zur persönlichen Nutzung. Er starb im Jahr 1928. Nach dem Tod von Großherzogin Hilda im Jahr 1952 wurde der Kaltenbronn Staatsjagdrevier.

 

Woerl’s Führer durch den Schwarzwald aus dem Jahr 1923 beschreibt den Wildsee und seine Umgebung als öde und melancholisch. Er fand, dass der See mit seinem moorbraun gefärbten Wasser einen wunderbar ernsten Anblick bietet. Ludwig Roeder beschreibt 1822 den Kaltenbronn als eine scheußliche Gegend an der Badenschen Grenze. Tatsache ist, der Kaltenbronn ist eine Landschaft wie sie die Natur in Tausenden von Jahren geschaffen hat. Auf über 900 Metern ist die Vegetation eine andere wie im Tal unten. Oberhalb Reichentals gibt es keine bunten Wiesentäler mehr. Der Buntsandstein liegt als Platte über dem Granit. Auf dem nährstoffarmen Boden, der zudem noch zur Vernässung neigt, finden nur wenige Pflanzen eine Heimat.

 

Die Entstehung des Hochmoors um Hohlohsee und Wildsee

Ursprünglich war das Gebiet um den Schwarzwald Teil eines großen, flachen mitteleuropäischen Beckens, das wiederholt vom Meerwasser bedeckt war. Die wechselnden Warm- und Kaltphasen, insbesondere die letzte Eiszeit formten die Landschaft. Gletscher erweiterten die Täler, ließen Hänge aufsteigen und verursachten Senkungen. Das Grundgestein des Kaltenbronn gehört zu den ältesten Gebirgen Deutschlands. Vulkanische Aktivität schob mächtige Schichten von Granit und Gneisen mehrere hundert Meter empor die zum Teil von Bundsandstein, Muschelkalk und Keuper überlagert wurden. Mit Beginn der Erdneuzeit vor 65 Millionen Jahren wurde das heutige Mittelgebirge bis auf über 1 000 Metern angehoben. Gleichzeitig entstand der heutige Oberrheingraben.

Im Vergleich zu den Erdbewegungen im Verlauf von Millionen Jahren sind die Hochmoore dagegen noch relativ jung. Sie haben sich erst am Ende der Eiszeit vor rund 10 000 Jahren gebildet. Der Eispanzer schmolz und das Wasser sammelte sich mit Regenwasser in den Mulden der Hochfläche. Ein Versickern verhinderte die Tonschicht die über dem Bundsandstein liegt. Auf dem nährstoffarmen Boden können nur wenige niedrige Sträucher und Riedgräser wachsen. In diesem Gebiet gilt das Torfmoos als Überlebenskünstler. Er hat keine Wurzeln, wächst nach oben ständig weiter und stirbt nach unten hin ab. Das Wasser in den Mulden hatte kaum Nährstoffe und wenig Sauerstoff. Abgestorbene Pflanzenteile zersetzten sich nur unvollständig. Es entstand Torf. Durch diese Torfablagerungen verlor die Pflanzendecke den Kontakt zum mineralischen Grundwasser. Die Torfdecke wuchs und hat auf dem Kaltenbronn eine Stärke von 8 Metern erreicht. Begünstigt durch das Klima entstanden Moorkolken (Moorseen) wie der Wildsee, der Hornsee sowie der Große und Kleine Hohlohsee. Ein lebendes Hochmoor benötigt ein feuchtes ausgeglichenes Klima. Die Menge des Niederschlages muss den Wasserverlust durch Abfluss und Verdunstung übersteigen.

 

Auf dem Kaltenbronn passt das ganz gut. Es stimmt die Geländeform, das raue Klima und die durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmengen von 1 600 mm. Das Moor kann sich vollsaugen wie ein Schwamm und lebt alleine vom Regenwasser. Die Torfmoose vertragen kurzzeitiges Austrocknen und sind an die nährstoffarmen Bedingungen im Moor angepasst. Auf dem Kaltenbronn entstand eine Lebensform, die aufeinander abgestimmt ist.

 

Das Moor in Gefahr?

Wieder mal war es der Mensch, der in diese einzigartige Landschaft eingegriffen hat. In diesem Fall ging es um das Überleben der Bauern. In den engen Tälern gab es keine Weidemöglichkeiten und so trieb man das Vieh bis in die Hochlagen. Um das Jahr 1707 weideten zeitweise 1 700 Stück Vieh aus den Dörfern der Grafschaft Eberstein und aus der Rheinebene zur Sommerweide in den Kaltenbronner Waldungen. Es herrschten Zustände wie wir sie heute aus den Alpen kennen. Hirten wohnten in Sennhütten und es wurde sogar Käse und Butter hergestellt. Das Vieh kannte natürlich keine Grenze zwischen Weide und Wald und so entstanden hauptsächlich durch Ziegen enorme Schäden am Wald. 1791 wurde angeordnet, dass ein Bürger welcher zwei Kühe halten kann, keine Ziegen haben darf. Es wurden besondere Ziegenweiden ausgewiesen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann eine geregelte und planmäßige Forstwirtschaft und die Weide wurde auf der Hochfläche verboten. 1833 wurde das Weiden von Schafen und Ziegen im Wald völlig verboten. Die Bauern gingen zur Stallhaltung über.

 

Ein großer menschlicher Eingriff in die Naturlandschaft war die Torfgewinnung am Kaltenbronn. Zwischen 1836 und 1865 versuchten mehrere Unternehmen hier Torf zu stechen. Auch das badische Kriegsministerium hoffte mit Torf vom Kaltenbronn seine Kasernen heizen zu können. 1865 stellte das Gaggenauer Eisenwerk Klehe den Abbau von Torf als unrentabel ein. Die abgebauten Torfstücke besaßen einen zu geringen Brennwert und der Abbau erwies sich in dem niederschlagsreichen Moorgebiet als überaus schwierig. Als nach dem I. Weltkrieg eine empfindliche Kohlennot in Deutschland eintrat erinnerte man sich wieder an das Torfvorkommen auf dem Kaltenbronn. Die Firma Raab-Karcher & Co erhielt 1919 die Genehmigung zum Abbau von Torf. Große Pläne wurden geschmiedet. Eine Drahtseilbahn sollte den Torf zur nächsten Bahnverbindung bringen, um ihn von dort abzutransportieren. Aus diesen Plänen wurde nichts. Es gab mittlerweile viele Menschen, die genau wussten, was der Torfabbau für das Hochmoor bedeutete. Es wäre zerstört worden. Zahlreiche Wandervereine, die Vereine für Naturschutz, Bewohner in mittelbarer und unmittelbarer Umgebung setzten sich in einer Protestversammlung im Juni 1920 für das Hochmoor ein. Gemeinsam legte man in Stuttgart Einspruch gegen das Vorhaben Torfabbau am Kaltenbronn ein und gewann. 1921 war das Hochmoor gerettet. Die Pläne zum Torfabbau hatten sich erledigt.

 

Der Kaltenbronn heute:

 

Das Wildseemoor wurde 1927 durch Verordnungen der Länder Baden und Württemberg unter besonderen Schutz gestellt. Weitere Flächen am Wildseemoor und am Hohlohsee wurden 1939/40 zu Naturschutzgebieten erklärt. Im Jahr 2000 wurden die verschiedenen Naturschutzgebiete dieser einzigartigen Hochmoorlandschaft zu einem großräumigen Natur- und Waldschutzgebiet von 1750 Hektar zusammengeführt.

 

Wer hier im späten Frühjahr beim Spaziergang am Kaltenbronn einen Sektkorken knallen hört, der hat einen Auerhahn beim Balzen erwischt. Aber nur akustisch. In seinem Repertoir hat er noch schleifende, wetzende und fauchende Laute. Er wirbt um die Gunst einer Henne. Gut wäre dann, wenn man schnell weiterginge, denn mit dem Auerhahn ist nicht zu spaßen. Kommt man dem Balzplatz zu nahe, kann der Vogel angriffslustig werden. Es ist eine sensible Angelegenheit am Kaltenbronn die zahllosen Besucher mit der Natur in Einklang zu bringen. Den stressgeplagten Menschen zieht es immer mehr in die Natur hinaus. Er braucht es einfach als Ausgleich zum täglichen Berufsleben. Tausende von Menschen haben den Kaltenbronn und seine urwüchsige Landschaft für sich entdeckt. An schönen und sonnigen Tagen sind die 1 000 Parkplätze am Weiler Kaltenbronn belegt. Anhand der Autonummern lässt sich dann feststellen, dass das Moor viele Freunde hat die nicht gerade mal um die Ecke wohnen. Man freut sich natürlich über die zahlreichen Besucher und hat gleichzeitig Sorge um das sensible Moor. Dort wo die Natur besonders empfindlich ist, wird der Besucher geschickt über einen Bohlenweg mit Geländer geleitet. Ein falscher Tritt würde einen Schaden anrichten der nicht mehr gutzumachen wäre. Die Wanderwege sind gut ausgezeichnet und ohne Steigungen bequem zu laufen. Ein oft begangener Weg führt von Kaltenbronn am Wildsee vorbei zur Grünen Hütte. Vor 250 Jahren wurde es Stierhäusle genannt und diente Weidetieren sowie Waldarbeitern und Hirten als Unterschlupf. Heute ist es ein rustikales Ausflugslokal und wird gerne als Vesperziel angesteuert.

 

Wer einmal auf dem Bohlenweg gestanden hat, wenn die Sonne den Wildsee silbern aufleuchten lässt, der kommt immer wieder hierher zurück. Es ist die Urwüchsigkeit und Schönheit dieser Landschaft die den Mensch verzaubert. Es ist eine ganz andere Welt als unten im Tal und diese Faszination zieht die Menschen an.

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