Kuppenheim: Leben hinter Stadtmauern
Kuppenheim: Die Knöpfle-Stadt
Man nennt sie die Knöpflestadt. Warum das so ist? Nun, es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen darüber, aber diese Geschichte hält sich von der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Es heißt, dass Kuppenheim im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden belagert worden sei. Je länger dies dauerte, desto weniger Munition und Lebensmittel hatten die Menschen hinter den Mauern ihrer Stadt. Die rettende Idee kam von einer Bürgerin. Die Frauen kratzten alles Mehl zusammen und mit Eiern und Wasser wurden Knöpfle (kleine Spätzle) hergestellt. Die Knöpfle warf man dann mit Schwung über die Mauer und dem Feind vor die Füße. Beeindruckt und im Glauben, dass Kuppenheim noch lange durchhalten würde, gab man die Belagerung auf. Daher wird Kuppenheim bis zum heutigen Tag auch Knöpflestadt genannt.
Die Lage am Talausgang der Murg war für eine Ansiedlung günstig. Sicher war hier auch eine Furt oder Brücke über den Fluss und es gab den wichtigen Verkehrsweg am Vorgebirge entlang den die Römer angelegt hatten. Die Straße führte von Basel/Basilia nach Mainz/Moguntiacum über Offenburg-Kuppenheim-Ettlingen-Ladenburg. Man vermutet, dass es auf Kuppenheimer Gemarkung auch eine römische Ansiedlung gegeben hat. Sicher nachgewiesen ist das noch nicht, aber Funde eines Bruchstückes einer Merkurstatue, von römisches Münzen und Sigillata-Scherben auf Kuppenheimer Gemarkung sprechen dafür: Die Römer waren da.
Wann Kuppenheim genau entstanden ist, das wissen wir nicht. In der bisher bekannten Erstnennungsurkunde von Kuppenheim schenkte ein Graf Bertold dem Kloster Hirsau um 1080/1100 Güter die er in Kuppenheim besaß. Von Hirsauer Mönchen wurde Ende des 12. Jahrhunderts eine Abschrift angefertigt in der über ältere Unterlagen berichtet wird. Das Original dieses Bandes ist leider nicht erhalten geblieben. Wir müssen uns also an eine weitere Abschrift aus dem 15. Jahrhundert halten. In diesem Traditionsbuch „Codex Hirsaugiensis“ genannt, wurden Gründung, Geschichte und Ausstattung der Klöster aufgeführt und beschrieben. Diese Abschriften dienten den Klöstern zur Besitzsicherung. So ist dort auch vermerkt, dass die Brüder Berthold und Burkhard Graf zu Staufenberg dem Kloster eine Anzahl von Gütern übereignen. Es werden Reben am Kaiserstuhl, das Dorf Rasteten und Cuppenheim erwähnt. Diese Schenkungen werden zwischen den Jahren 1080 und 1100 datiert. In einer Edition des Traditionsbuches steht am Rande der Urkunde 1095. Und die Angabe dieses Jahres gilt als Grundlage für Ortsjubiläen in Kuppenheim.
Die Ebersteiner tauchen namentlich hier im Jahr 1080 auf und beherrschten schon bald die gesamten besiedelten Orte im Murgtal. Als civitas nostra (unsere Stadt) bezeichnet Graf Eberhard von Eberstein Kuppenheim im Jahr 1254. Bereits im Jahr 1298 fällt die Bezeichnung „oppidum“ was so viel wie befestigt und ummauert bedeutet. Wir haben es hier also mit einer ummauerten Stadt zu tun, die um 1256 ein Schloss hatte, in der ein Vogt bereits vor 1257 im ebersteinischen Amt Kuppenheim nach Recht und Ordnung schaute und zudem die Abgaben und Steuern kontrollierte, in der verschiedene Handwerker ihren Beruf ausübten und in der regelmäßig Markt abgehalten wurde. So gut ausgestattet und dazu noch ein mächtiges Geschlecht als Stadtherren konnte eigentlich nur eine erfolgreiche Zukunft bedeuten. Kuppenheim war für die Ebersteiner eine wichtige Stadt. Von hier aus kontrollierten sie den Eingang in das Murgtal. Über der Stadt Kuppenheim thronte die auf einer beherrschenden Bergkuppe errichtete Burg Alteberstein und von hier aus regierten die Ebersteiner ihr Land. Doch mit den Finanzen der Ebersteiner sah es nicht gut aus und im Hintergrund lauerte ein anderes Adelsgeschlecht, nämlich die Markgrafen von Baden. Die Burgen beider Adelsgeschlechter, die der Ebersteiner und die der Markgrafen von Baden lagen nur wenige Kilometer auseinander. Kunigunde, Tochter des Grafen Otto I. von Eberstein, hatte um 1240 den Markgrafen Rudolf I. von Baden geheiratet. Eine Mitgift waren die Ebersteiner vorerst schuldig geblieben, denn sie waren gerade mal wieder knapp bei Kasse. Das wurde im Jahr 1283 verrechnet. Markgraf Rudolf I. erhielt die Burg Eberstein zur Hälfte als Mitgift, die andere Hälfte kaufte er dazu und so gelangte auch die Stadt Kuppenheim in seinen Besitz.
Um Kuppenheim hatte man nicht einfach nur eine Mauer gezogen. Nein, das war schon eine Stadtbefestigung mit System und für die damalige Zeit eine anerkennenswerte Leistung. 1433 werden drei Stadttore urkundlich erwähnt. Das obere Tor, das untere Tor, auch „nideres Tor“ genannt und das Bruchtor. Die Tore sollen mit der Tordurchfahrt fünf Stockwerke gehabt haben. Weinbrenner schätzte den Turm auf eine Höhe von 100 Fuß, also ca. 30 Meter hoch. Die Stadtbe-festigung bestand aus der bis zu 14 Meter hohen Stadtmauer, einem Innengraben, einer Zwingermauer, einem Wall vor dem Innengraben und es gab einen mit Wasser gefüllten Außengraben. Die Stadtmauer hatte eine Stärke von 1,7 Metern und bestand aus Sandsteinen und Flusswacken. Zwischen diesen Steinen befand sich eine kieshaltige Mörtelfüllung. Eine direkte Bebauung an der Mauer war nicht erlaubt, da sie zur Verteidigung freigehalten werden musste.
Ob sich Kuppenheim im Dreißigjährigen Krieg mit Knöpflegeschossen gerettet hat werden wir wohl nie erfahren. Tatsache ist, dass Kuppenheim im Jahr 1689 während des Pfälzischen Erbfolgekriegs bis auf ein Haus niedergebrannt wurde. Erhalten blieben die mittelalterlichen Gewölbekeller. Natürlich hat man die Häuser wieder aufgebaut. Die Straßenflucht wurde etwas zurückgesetzt wegen der Enge der Gassen und die neuen Häuser auf die alten Keller aufgesetzt. Daher ragen manche Keller noch heute in Gehweg und Straße hinein und sind Teil der alten Stadtgeschichte.
1787 wird berichtet, dass der obere Torturm „dermaßen baufällig und zusammengefaulet“ sei, so dass er einzustürzen drohte. Eigentümer der Stadtmauer waren die Markgrafen von Baden und diese erhoben noch im Jahr 1790 von 28 Kuppenheimer Hauseigentümern Stadtmauerzins. Die Erhaltung der Mauern und Tore war zu einer lästigen Angelegenheit geworden, zumal durch die Erfindung des Schießpulvers Stadtbefestigungen und auch Burganlagen militärisch unbrauchbar geworden waren. So ließ man es oft an der nötigen Baupflicht fehlen. In den Jahren 1812 bis 1815 wurden die Stadttore abgebrochen. Für das obere Tor brauchte man sieben Sprengungen und neun Pfund Pulver. So wie Rastatt durch die Festung eingeschnürt worden ist, so ging es auch in Kuppenheim eng zu. Noch im 19. Jahrhundert bestimmte die Stadtmauer den Umfang der Stadt. Die Häuser drängten sich auf 6,3 ha innerhalb dieses Ringes zusammen. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden fast 50 Meter der Stadtmauer gesprengt, um Platz für eine Spedition zu schaffen. Auf der einen Seite schade, aber andererseits auch wieder zu verstehen. Für die Bewohner begann eine neue Zeit. Man entwickelte sich weg vom Bauerndorf und Handwerker und Betriebe siedelten sich an oder wollten sich vergrößern.
Wer heute in Kuppenheim nach Spuren dieser längst vergangenen Zeit sucht, der wird auch fündig werden. Am Anwesen Friedrichstraße 68 befindet sich das älteste in Stein gehauene badische Wappen. Hier stand einstmals das „nidere (untere) Tor“ an dem Markgraf Rudolf I. dieses Wappen anbringen ließ. Auf der anderen Straßenseite kommt man zum Ochsengraben, einem ursprünglichen Wallgraben mit dem sehr gut erhaltenen Viertelkreis des Mauerrings. Auch bei der Oberen Torgasse treffen wir wieder auf ein imposantes Stück Stadtmauer. Überhaupt hat Kuppenheim noch einige Zeugnisse aus längst vergangenen Zeiten zu bieten. Der ausgeschilderte Stadtrundgang beginnt beim Bahnhof und bringt den interessierten Besucher an die Reste der Stadtmauer und zu weiteren Zeugen der Vergangenheit.