Wintersdorf

Wintersdorf in alten Ansichten.

Wintersdorf

Ortsnamen werden oft erstmals genannt, wenn Rechtsgeschäfte, die in Verbindung mit dem Ort stehen getätigt werden und in einer Urkunde festgehalten werden. Ortsnamen mit der Endung „dorf“ sind meist im 6. und 7. Jahrhundert entstanden. So dürfte auch Wintersdorf vor der ersten schriftlichen Erwähnung bestanden haben. Im Jahr 797 als Winteresdorph erstmals urkundlich erwähnt, gehörte der Ort in den Besitz der Klöster Lorsch und Weißenburg. Im späten 10. Jahrhundert über eine Schenkung von Kaiser Otto I. an seine Frau Adelheid und deren Gründung von Kloster Seltz kam Wintersdorf unter diese Herrschaft. Um das Jahr 1400 herum waren die Markgrafen von Baden die neuen Grundherren.  Große archäologische Funde sind auf Wintersdorfer Gebiet bis auf einige römerzeitliche Keramikstücke und einem Münzfund, der sich um das Jahr 1330 herum datieren lässt, nicht nachweisbar. Der Rhein dürfte auch mit seinem Geschiebe aus Sand und Geröll manche Spur aus früherer Zeit tief unter die Erde gebracht haben.

 

Wie bereits berichtet, lag auch Wintersdorf im 8. Jahrhundert zusammen mit den anderen Riedorten auf der linken Seite des Rheins und gehörte zur Pfarrkirche Seltz. Eine Laune des Rheins bescherte den Bürgern von Wintersdorf um das Jahr 1300 herum ein ganz neues Angstgefühl. Bei Hügelsheim/Iffezheim hatte sich der wilde Fluss durch das Aufschieben von Kiesbänken ein zweites Flussbett gesucht. Wintersdorf lag weder rechts noch links des Flusses. Plötzlich lag das Dorf auf einer Insel und wurde von zwei Hauptarmen des Rheins umspült. Auch nachdem der Ort wieder auf der rechten Rheinseite zu liegen kam, mussten nie Häuser abgebrochen oder zurückversetzt werden wie es in anderen Rheindörfern öfters der Fall war. Größere Sorgen hatte das Nachbardorf Dunhausen, das immer wieder in schwere Bedrängnis durch den Fluss geriet. Letztendlich wurden nach und nach die Häuser in Dunhausen abgebrochen und in Wintersdorf wieder aufgebaut. Die zugezogenen Bürger wurden aufgenommen und ihre Gemarkung Wintersdorf zugeschlagen.

 

Am 15. Juli 1598 gab Markgraf Ernst Friedrich nachträglich seine Genehmigung zur Vereinigung beider Orte. Alfred Hauns schreibt in seinem Buch „Wintersdorf im Wandel der Zeit“ dass man davon ausgehen kann, dass Teile der Gewanne Großfeld, Neumatten, Lichtenwört, Fischreihergrund und ein Teil der heute links des Rheins liegenden „Aspenköpfe“ zur Gemarkung Dunhausen gehört hatten.

 

Die Wintersdorfer Brücke

 

Als besonderes Bindeglied zweier Völker die gemeinsam an einem Fluss liegen gilt eine Brücke. Sie verbindet die Menschen, kann aber auch in Kriegszeiten Not und Elend bringen. Als besonderes Beispiel für Freud und Leid ist hier die Wintersdorfer Brücke bei Rheinkilometer 335,7 gelegen, zu nennen.

Den ersten Bahnanschluss erhielt Rastatt im Jahr 1844 durch die Großherzoglich Badische Staatseisenbahn. Um die Stadt lag damals einem Korsett gleich die Bundesfestung. Durch Wälle und Gräben behindert wurde die Bahnstrecke östlich der Stadt vorbeigeführt. Der erste Rastatter Bahnhof lag deshalb etwas außerhalb im heutigen Industrieviertel. Am 23. Mai 1892 wurde zwischen dem Reich und dem Großherzogtum Baden ein Vertrag abgeschlossen über den Bau einer zweigleisigen Bahnlinie, die Rastatt mit dem Elsass verbinden sollte. Um dieses Vorhaben auszuführen, begann man 1893 mit dem Bau der Wintersdorfer Brücke. Planer. Geometer, Steinmetze, Zimmerleute und andere Handwerker aus der näheren Umgebung waren hier gut beschäftigt. Gemeinsam bauten sie eine 555,7 Meter lange Brücke über den Fluss. Aus heutiger Sicht ein Kunstwerk und das ohne großen Einsatz von Maschinen. Die Brückenbögen ähnelten Wellen und die Türmchen ragten majestätisch in den Himmel. Am 1. Mai 1895 wurde die Wintersdorfer Strecke dem Betrieb übergeben. Zeitgleich mit dem Bau der strategischen Bahn Graben-Karlsruhe-Röschwoog wurde auch der neue Bahnhof in Rastatt in Betrieb genommen. Mit der Einfuhr des Schnellzuges 1 von Muggensturm kommend wurde am 26. April 1895 um 10 Uhr 49 Minuten der neue Bahnhof seiner Bestimmung übergeben.

 

Eine offizielle staatliche Eröffnungsfeier war nicht vorgesehen. Die Rastatter Bevölkerung wollte diese zwei großartigen Ereignisse natürlich feiern. Ein mit zwei Lokomotiven bespannter Sonderzug brachte die Menschen vom Rastatter Bahnhof auf der neuen Strecke hinaus nach Wintersdorf über die neue Brücke nach Röschwoog.  Rastatter Schulkinder waren mit ihren Lehrern dabei und für die musikalische Umrahmung sorgte eine Abteilung der Kapelle des 111. Regiments. Nach der Rückkehr gab es für die Schulkinder noch Festbretzeln und sie durften „Caroussel“ fahren. Die maßgeblich an den Bahnbauten beteiligten Herren versammelten sich zu einem Festmahl im Rastatter Kronensaal.

Interessant ist auch der Sommerfahrplan aus dem Jahr 1895. Der erste Zug verließ Rastatt um 5.38 Uhr, erreichte Wintersdorf 10 Minuten später und traf um 6.03 Uhr in Röschwoog ein. Über Straßburg 7.14 Uhr ging es dann weiter nach Metz in dem man um 12.01 Uhr ankam.

 

Nach und nach wurde die Wintersdorfer Brücke zu einem wichtigen Warenumschlagplatz für Güter die mit der Eisenbahn transportiert werden sollten. 1913 brachten täglich 13 Güterzüge Waren auf die andere Seite und 16 Züge dienten der Personenbeförderung. Im Jahr 1923 wurden hier 180 000 Tonnen Ware abgefertigt und weitertransportiert. Die Zollabfertigung wurde von deutschen und französischen Zöllnern gemeinsam getätigt. Man kannte sich, man verstand sich und die eine oder andere kleine Besorgung wurde da schon „unter der Hand“ geregelt.

 

Was sich ein paar Monate vorher schon abzeichnete, wurde im Oktober 1939 bittere Wahrheit. Mit der Kriegserklärung am 1. September 1939 ruhte der Verkehr auf der Brücke und schließlich am 12. Oktober 1939 wurde sie auf französischer Seite gesprengt. Bei niedrigem Wasserstand war es trotzdem noch möglich auf die andere Seite zu kommen.1942 wieder aufgebaut, diente sie überwiegend der Versorgung der Besatzungstruppen in Frankreich. Das Ende der Brücke kam als sich der Ausgang des Krieges für die deutsche Seite als hoffnungslos abzeichnete.  Am 12. Oktober 1944 wurde die Sprengung der Brücke vorbereitet. Am 13. Oktober 1944 zerstörte ein bayrisches Pionierbataillion unter Leutnant Huber die Brücke um dem Feind den Einmarsch ins Land so schwer wie möglich zu machen. Luftaufnahmen der Alliierten vom 27.12.1944 zeigen deutliche Spuren dieser Zerstörung. Alle Brückenpfeiler sowie der Überbau waren zerstört. Das alte historische Bauwerk lag zusammengebrochen im Rhein. Ende 1947 veranlasste die französische Militärregierung den Wiederaufbau und ab Mai 1949 diente die Brücke wieder überwiegend dem Militärverkehr. Der 26.8.1960 war für das Elsass und Baden ein bedeutender Tag. Die Wintersdorfer Brücke wurde wieder dem Verkehr übergeben. Ob jemals wieder Züge über die Brücke fahren steht in den Sternen. Sie ist immer noch eine beeindruckende Kulisse und diente mehrfach als Objekt für Tatort-Produktionen des Südwestrundfunks. So auch im Tatort „Schrott und Totschlag“ mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) als Kommissarin im Jahr 2001.

 

Viele Brücken hatten das gleiche Schicksal erlitten. Manche wurden erst gar nicht mehr aufgebaut. Die Wintersdorfer Brücke darf heute wieder die Verbindung zweier Völker sein die gemeinsam an einem Fluss liegen.

 

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