Stollhofen
„Stollhofen, ein kleiner markgräflicher badischer Ort, vier Meilen von Straßburg entfernt auf der Landstraße nach Stuttgart, zwei Meilen vor Rastatt liegend. Es ist ein in der Ebene gelegener vornehmer Ort, den die Schweden zweimal eroberten, den sie aber zweimal wieder verloren. Bei dem Angriff der Franzosen wurde der Kommandant unter dem Tor aufgehängt.“ So berichtet Matthäus Merian im Jahr 1644 über Stollhofen.
Zum ersten Mal wird der Ort mit Basilica und einem Herrenhof in einer Urkunde im Jahr 1154 als „Stadelhoven“ erwähnt. Im Jahr 1212 gehörte das Dorf dem Edelknecht Eberlin von Windeck. Der Herrenhof war im Besitz des Klosters Schwarzach. Vor 1300 wurde weiter östlich vom alten Dorf auf einer ovalen Bachinsel die „neue Stadt“ gegründet. Hier fanden 60 Hofstätten mit insgesamt 500 Seelen Platz. Im Jahr 1302 wird die neue Ansiedlung erstmals als „Stolhoven die stat“ erwähnt umgeben mit Wall, Graben, einer Mauer mit 850 m Länge, Türmen und Toren. Wenn der einfache Bauer nach Stollhofen auf den Markt kam, staunte er nicht schlecht. Er war es gewohnt, dass um sein Heimatdorf ein Hag gezogen wurde, um die Tiere im Umkreis des Dorfes zu halten und er wohnte in einer einfachen Bretterhütte. In Stollhofen stand er plötzlich vor einer 6 Meter hohen Stadtmauer mit Wehrgang.
Durch das Badener Tor erreichte er über die Große Gasse den Platz vor dem Rathaus. Er bewunderte die aus Stein gebauten Häuser. Wie armselig waren dagegen die Hütten in seinem Heimatdorf. Vor dem Marktbrunnen angekommen befand er sich im Zentrum der Stadt. Hier herrschte reges Treiben. Auf dem Platz vor dem Rathaus und in den Laubengängen priesen Händler lauthals ihre Waren an. An der Ecke stand die Fleischbank der Knochenhauer und beim Bäcker gab es frisch gebackene Brote. Aus einer anderen Ecke ertönte das „Kling-Klang“ des Schmieds, der gerade ein Eisen bearbeitete. Sattler, Seiler, Hänfer, Weber, Schuster, Schneider und andere Gewerbe waren hier vertreten. Das Angebot war groß, doch das Geld knapp. Aus dem Verkauf eines gemästeten Schweines war ein kleiner Betrag übrig geblieben und die Hausfrau hatte ihn auf den Markt geschickt. Mehl von der Mühle am Sulzbach, etwas Salz, Bändel und Stoffe wollte sie haben. Nach dem Einkauf gönnte sich der Bauer noch einen Schoppen und machte sich dann auf den Heimweg. Er konnte sich jetzt schon die staunenden Gesichter seiner Familie vorstellen wenn er von seinem Besuch auf dem Markt in Stollhofen erzählen würde. Wenn das Wetter gnädig war und die Getreideernte gut verlief nahm er sich vor mit der ganzen Familie die Kirchweih am 11. November in Stollhofen zu besuchen.
Es lebte sich gut hinter den Mauern der Stadt. Auch soziale Einrichtungen waren vorhanden. In der Gasse zum Rathaus gab es einen Bader und die Stadt hatte ein Spital. Etwas außerhalb auf der-Hohardt gelegen stand das Gutleuthaus (für pestbehaftete Kranke) Die Bürger betrieben Landwirtschaft, aber auch Kaufleute hatten sich hier angesiedelt. Die Amtsstadt bot vielen Handwerkern Arbeit. Die Gemarkungsgrenze war eine ganz andere wie wir sie heute vorfinden. Sie lag im Jahr 1558 hinter dem heutigen im Elsass gelegenen Dalhunden. Die Höfe auf den zahlreichen Rheininseln gehörten ebenso zur Stadt Stollhofen. Der Fluss begünstigte den Handel mit verschiedenen Waren. Der wichtige markgräfliche Lad- oder Zollhof lag in der Vorstadt. Zu Stollhofen bestand ein uraltes Salzregal, das die Herrschaft an einen Händler verliehen hatte. 1622 kostete eine Scheibe Salz 8 Gulden. Umgerechnet bedeutete das für einen Handwerker mehr als 20 Tage Arbeit. 1625 wohnten etwa 1 000 Menschen in der Stadt. Für damalige Verhältnisse war das viel. Verkehrsgünstig an der alten Rheinstraße gelegen entstanden auch Wirtshäuser. Im Jahr 1641 gab es den Ochsen, 1650 den Rappen, 1663 den Schwarzen Adler, 1690 das Gasthaus zum Lamm und andere.
Die Rheinebene war Schauplatz zahlreicher Kriege, die auch an Stollhofen nicht spurlos vorbei gingen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es in der Stadt nur noch 400 Überlebende. Zu grausam waren die Ausschweifungen der Soldaten gewesen. Die auf Rheininseln geflohenen Menschen kamen zurück und bauten ihre Häuser wieder auf. Auch die Festung Stollhofen bekam eine weitere Schanzenlinie und erreichte um das Jahr 1689 die höchste Ausbaustufe. Den Menschen war keine Ruhe gegönnt. Im Verlauf des Pfälzer Erbfolgekrieges überfielen im September 1689 die Franzosen die ganze Rheinebene und Dorf für Dorf ging in Flammen auf. In Stollhofen gab es keine Kirche mehr, keine Schule, das Rathaus und das Pfarrhaus waren ebenso zerstört. Erst vier Jahre später wohnten in der einst so blühenden Stadt wieder an die 30 Familien. 1697 erfolgte der Friedensschluss zu Ryßwyck und wieder sollte es nur ein paar Jahre bis zum Ausbruch des nächsten Krieges dauern.
Am 1. November 1700 verstarb Carlos II König von Spanien kinderlos. Man nannte ihn auch El Hechizado, den Verhexten. Sein Tod löste den Spanischen Erbfolgekrieg aus. Die Kriegsfolgen ahnend, ließ Markgraf Ludwig Wilhelm (Türkenlouis genannt), zwischen Rhein und Schwarzwald eine durchgehende Verteidigungslinie bauen. Durch den Verrat eines Mannes gelang es Marschall Villars in der Nacht vom 22. Auf den 23. Mai 1707 die Stollhofener Linie einzunehmen und die kaiserlichen Truppen zu besiegen. Für Stollhofen hatte dieser Sieg verheerende Folgen. Auf Anordnung Villars mussten alle Schanzen, Mauern und Türme der Stadt abgerissen werden. Mit dem Schutt wurden die Stadtgräben aufgefüllt. 1790 wurde das Amt Stollhofen aufgelöst und über 500 Jahre Stadtrechte gerieten in Vergessenheit.
Heute ist Stollhofen ein reizendes Dorf in einer alten Kulturlandschaft mit zum Teil noch unberührter Natur. Das wachsame Auge erkennt in der einen oder anderen Senke noch den Verlauf des Stadtgrabens. Auch bei Bauarbeiten ist man oft auf imposante Mauerreste gestoßen. Die Häuser der Stadt Stollhofen wurden mehrfach zerstört. Was verschont blieb waren die Gewölbekeller die zum Teil noch aus dem Mittelalter stammen und im Laufe der Jahrhunderte umgebaut und ausgebessert wurden. Kriege können Dörfer zerstören, aber unter der Erde wird sich immer so manches Geheimnis verbergen. Dies zu finden bedeutet immer ein weiteres Puzzelteil für unsere Geschichte.