Ottersdorf
Ottersdorf
„Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit.
Otto von Gottes Gnaden.
Alle unsere gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigen sollen wissen, dass unsere innigst geliebte Großmutter, die erhabene Kaiserin Adelheid, vierzig Morgen neugerodetes Land in Ottersdorf, das ein Legen des Regenger war, von diesem Regenger für einen gerechten Preis zurückgekauft hat für das Kloster Seltz, das zu Ehren der Apostel erbaut ist“. Dieser Vorgang wird von Wissenschaftlern in das Jahr 984 eingeordnet. Wie Franz Ruf in seiner Ortschronik über Ottersdorf berichtet, entstand diese Abschrift Ende des 12. Jahrhunderts im Kloster Seltz und stellt eine Fälschung dar. Jedoch der Inhalt darf als glaubwürdig angenommen werden. Es ist das älteste Dokument in dem der Name „Ottersdorf“ erwähnt wird.
Wie an anderer Stelle bereits berichtet, hatte der Rhein Ottersdorf und die anderen Riedorte auf die linke Rheinseite verlegt. Der Ort gehörte zum Kirchspiel Seltz. In der Kirche zu Seltz wurden die Kinder getauft, es wurde geheiratet und die Toten begrub man hier auf dem Friedhof. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurden in Seltz auf den Markt gebracht. Rastatt hatte für die Rieddörfer damals keine große Bedeutung. Es besaß kein Markrecht und der große Fluss trennte die Dörfer von der anderen Seite. Um das Jahr 1300 herum, nach einer gewaltigen Veränderung des Flusslaufs, fand sich Ottersdorf mit den anderen Riedorten auf einer Insel wieder. Dies war wohl auch der Fall bis zum Jahr 1464. Ursprünglich gab es einmal fünf Rieddörfer. Muffenheim wird im Rastatter Dorfbuch von 1498 noch genannt. Um das Jahr 1500 herum hatten die Bewohner den Ort aufge-geben. Die ständige Bedrohung durch den Fluss hatte die Menschen dazu veranlasst. Dunhausen wurde im Jahr 1583 durch den Rhein vernichtet. Die Gemarkung von Muffenheim wurde im 19. Jahrhundert zwischen Ottersdorf und Plittersdorf aufgeteilt. Die Muffler Gärten erinnern noch heute an den Ort. Wintersdorf erhielt im Jahr 1598 von Markgraf Ernst Friedrich von Baden die Dunhausener Gemarkung zugeteilt.
1689 war für Ottersdorf eines der dunkelsten Jahre. Die Franzosen hatten bereits die Dörfer in der Pfalz heimgesucht und zogen nun brandschatzend und plündernd durch die Markgrafschaft weiter in die Ortenau. Das Ausmaß der Zerstörung und das Leid der Bevölkerung waren unbeschreiblich. Die Felder waren zerstört, das Vieh getötet oder geraubt. Für den herannahenden Winter wurden die Häuser notdürftig gerichtet. Von der Kirche in Ottersdorf blieb nur der Turm ohne Dach, das Langhaus war eingeäschert. Nach dem Krieg als Ruhe im Land eingekehrt war, begann man mit dem Wiederaufbau der Häuser.
Der Bau eines Fachwerkhauses ist eine sehr aufwändige Angelegenheit. Die nachfolgende Schilderung geschieht nur in groben Zügen. Das Holz für die Außenwände war meistens aus Eiche und wurde von der Gemeinde gestellt. Leichtere Hölzer wie Weiden, Pappeln, Erlen oder Tannenholz verwendete man für Decken- und Sparrengebälk. Das Fundament erstellte der Maurer aus Bruchsteinen. Mit Sachsensäge, Breitaxt, Däxel, Stoßaxt und Fuchsschwanz wurden die Hölzer auf dem Richtplatz bearbeitet, gestemmt und verzapft und zum eigentlichen Bauplatz gebracht. Richtplatz und Bauplatz lagen meistens aus Transportgründen nahe beieinander. Die Zimmerleute begannen dann mit dem Auflegen der Rahmenbalken. Die Zwischenwände wurden eingebaut und in größeren Räumen ein Durchzugsbalken angebracht, um die Deckenbalken zu stabilisieren und ein Durchbiegen zu verhindern. Der Durchzugsbalken wurde wiederum von einem Stützbalken getragen. Wenn alle Hölzer für die Außenwände zusammengefügt waren, begann man bei einem eingeschossigen Haus mit den Giebeln und dem Dachgebälk. Die Balkendecke für den Speicher wurde eingezogen. War nach wochenlanger schwerer Arbeit der Rohbau fertig, hielt man eine Tradition ab, die bei den Zimmerleuten seit dem Entstehen der Zünfte im frühen Mittelalter Bestand hat. Es wurde Richtfest gefeiert, als Ausdruck der Freude am Handwerk und der Tradition. Essen und Getränke durften bei diesem Fest nicht fehlen und die lieferte der Bauherr.
Der Maurer hat’s gemauert,
der Zimmerer überdacht;
doch dass es hält und dauert
das steht in Gottes Macht.
Dies ist einer der zahlreichen Sprüche, die bei einem solchen Richtfest am Dachbalken aufgesagt wurden.
Nun musste das Haus „unter Dach“ gebracht werden. Auf den Dachbalken wurde eine Lattung angelegt. Der Dorfschmied lieferte hierfür die Nägel und die Biberschwanz-Ziegel kamen aus einer Ziegelei in der Umgebung. Der nächste Schritt war der Einbau des Riegelgeflechts. Dünne Hölzer wurden in die Rahmen eingeklemmt und das Geflecht anschließend mit Lehmmasse ausgefüllt. Die Masse bestand aus einem Brei aus Lehm dem kurz geschnittenes Sargras beigemischt wurde. Mangels anderer Möglichkeit wurde diese Masse mit den Füßen solange bearbeitet, bis die richtige Mischung erreicht wurde. Mit diesem dicken Brei wurden dann die einzelnen Riegel ausgekleidet. Später um die Mitte des 19. Jahrhundert hat man die Riegel mit Backsteinen ausgemauert. Der Zimmermann brachte noch die Wetterdächlein an und dann bekam das Haus seine Farbe. Die einzelnen Felder wurden mit Weißkalk gestrichen, wobei man das Holz des Fachwerks frei ließ um es atmen zu lassen. Am Eckbalken brachte der stolze Hausbesitzer dann meistens den Namen der Familie, das Jahr des Hausbaus und ab und an auch ein Handwerkszeichen (Wagenrad = Wagnerei) an. Mancher wird sich fragen, wozu die kleine Öffnung neben der Haustür diente? Das war das Schlupfloch für die Hauskatze und für die Hühner wenn es draußen zu kalt war. Auf der Bühn über der hinteren Stube fanden alle ein wohlig warmes Plätzchen.
Viele Fachwerkhäuser mussten abgebrochen werden, weil die Bausubstanz einfach nicht mehr zu retten war. Andere wurden in Verbindung mit dem Denkmalschutz umgebaut. So ein Fachwerkhaus erhält man aus Liebe zur Tradition, mit großem persönlichem und finanziellem Aufwand. In Ottersdorf fanden viele Menschen, dass sich der Aufwand hierfür lohnt. Ein Rundgang durch das Dorf beweist dies.